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recipient design/Adressatenzuschnitt - 18. Arbeitstagung zur Gesprächsforschung

Kategorie
Datum
Mi., 03/26/2014 - Fr., 03/28/2014
Anmeldeschluss
Postfach 10 16 21
68016 Mannheim

Eine der ubiquitären Aufgaben für Interaktionsteilnehmer besteht darin, ihre jeweiligen Gesprächsbeiträge auf ihre spezifischen Gesprächspartner zuzuschneiden. Grundlage dafür ist, das Wissen, die Erwartungen, Interessen und Einstellungen der Rezipienten bei der Formulierung von Äußerungen in Rechnung zu stellen. Recipient design wird benutzt, um die Verständlichkeit von Äußerungen sicherzustellen, aber auch, um Selbst- und Fremdpositionierungen zu kommunizieren, Wissen und Handlungsbereitschaften kontrafaktisch zu unterstellen, unerwünschte Lesarten und nicht-ratifizierte Mithörer auszuschließen oder zu verdeutlichen, wer der primäre Adressat eines Turns ist (s.a. Clark 1992). Recipient design gibt daher immer auch Aufschluss über Identitätszuschreibungen- und Beziehungskonzepte und über die nach Auffassung des Sprechers primären Handlungsrelevanzen und Orientierungen in der Gesprächssituation.
Obwohl recipient design für die Formulierung und Interaktionsgestaltung grundlegend ist, sind Praktiken und Aufgaben des recipient design doch selten ausdrücklich zum Untersuchungsgegenstand geworden. Die bisherigen Forschungen haben sich vor allem auf die sprachlichen Praktiken der Referenz auf Personen (Sacks/Schegloff 1979; Schegloff 1996) und Orte (Schegloff 1972) bezogen. Die Vielfalt der sprachlich-kommunikativen Praktiken, die für recipient design eingesetzt werden, und die Dimensionen, hinsichtlich derer in Interaktionen recipient design betrieben wird, sind bislang noch kaum ausgelotet. In interaktionslinguistischer Sicht ist
interessant, welche weiteren sprachlichen (z.B. Deppermann/Blühdorn 2013) und multimodalen Praktiken (z.B. Schmitt/Knöbl 2013) eingesetzt werden, um situiert bestimmte Aufgaben des recipient design zu bearbeiten. Recipient design kann sich nicht nur auf Vorannahmen stützen, die sich aus der Zugehörigkeit der Adressaten zu bestimmten sozialen Kategorien (z.B. Hutchby 1995) oder aus biographischem Vorwissen ergeben (Schegloff 1972; Sacks/Schegloff 1979). Es kann auch am Wissensstatus des Adressaten, wie er im Verlauf der bisherigen Interaktion offenbar geworden ist, ansetzen (Fischer 2011). Zu Praktiken des recipient design gehören daher nicht nur solche, die dem vermeintlichen Wissen des Adressaten Rechnung tragen, sondern auch solche, mit denen systematisch das Wissen des Rezipienten elizitiert und geprüft wird, um in Bezug auf eine anstehende Aktivität ein passgenaues recipient design produzieren zu können (Maynard 1991, Deppermann/Schmitt 2009). Der Bezug von recipient design zu anderen Konzepten der Interaktionsanalyse wie ‚Identität‘, ‚Positionierung‘ und ‚Interaktionsrolle‘, aber auch zu diskursanalytischen Konzepten wie ‚accessibility‘, ‚accomodation‘, ‚common ground‘ oder ‚Höflichkeit‘, die ebenso den Zuschnitt von Äußerungen auf das spezifische Gegenüber zum Gegenstand haben, ist noch kaum geklärt.
Wir laden ein zu Vortragsangeboten zu folgenden Themenbereichen:
• Sprachlich-kommunikative und multimodale Praktiken des recipient design
• Dimensionen und Aufgaben von recipient design
• Der Zusammenhang von recipient design mit anderen Determinanten des situationsspezifischen Zuschnitts von Äußerungen wie z.B. Gattung, Handlungstyp und Präferenzstrukturen
• Recipient design in Mehrpersonen-Interaktionen: Bezug auf Adressaten, unterschiedliche Rezipientengruppen und Nicht-Adressaten
• Der Bezug von recipient design zu anderen diskursanalytischen Konzepten

Literatur:
Clark, Herbert H. (1992): Arenas of language use. Chicago: Chicago UP.
Deppermann, Arnulf/Blühdorn, Hardarik (2013): Negation als Verfahren des Adressantenzuschnitts: Verstehenssteuerung durch Interpretationsrestriktionen. In: Deutsche Sprache 41,1, S. 6-30.
Deppermann, Arnulf / Schmitt, Reinhold (2009): "damit sie mich verstehen": Genese, Verfahren und Adressatenzuschnitt einer narrativen Performance. In: Buss, Mareike/Habscheid, Stephan/Jautz, Sabine/Liedtke, Frank/Schneider, Jan-Georg (Hg.): Theatralität des sprachlichen Handelns. München: Fink. S. 79-112.
Fischer, Kerstin (2011): Recipient design, alignment, feedback. The role of the Addressee in so-called “simplified registers”. Bremen. Unveröff. Habilschrift.
Hutchby, Ian (1995): Aspects of recipient-design in expert advice-giving on call-in radio. In: Dis-course Processes 19, S. 219-238.
Malone, Martin J. (1997): Worlds of talk. Cambridge: Polity.
Maynard, Douglas W. (1991): The perspective-display series and the delivery and receipt of diag-nostic news. In: Boden, Deirdre / Zimmerman, Don H. (Hg.): Talk and social structure. Cambridge: Polity, S. 162-92.
Sacks, Harvey / Schegloff, Emanuel A. (1979): Two preferences in the organization of reference to persons in conversation and their interaction. In: Psathas, George (Hg.): Everyday language. New York: Center for the Study of Ethnomethodology and Conversation Analysis, S. 15-21.
Schegloff, Emanuel (1972): Notes on a conversational practice: Formulating place. In: Sudnow, David (Hg.): Studies in social interaction. New York: Free Press. S. 75-119.
Schegloff, Emmanuel A. (1996): Some Practices for Referring to Persons in Talk-in-Interaction: A Partial Sketch of a systematics. In: Fox, Barbara (Hg.): Studies in Anaphora. Amsterdam: John Benjamins, S. 437-485.
Schmitt, Reinhold/Knöbl, Ralf (2013) Prosodie und multimodales recipient design. In: Deutsche Sprache 41,3.
Stalnaker, Robert C. (2002): Common ground. In: Linguistics and Philosophy 25, 6, S. 701–721.

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Thomas Spranz-Fogasy
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